3. Brief: Kairo (G)

Am Montag waren wir müde und begnügten uns damit, durch den Garten des Generalkonsuls zu schlendern. Wir aßen mit ihm zu Mittag und amüsierten uns über sein fünf Monate altes Nilpferd. Mr. Murrays Güte gegen uns war grenzenlos. Er hat uns ein Zimmer, in dem ich jetzt schreibe (es ist fünfzig Fuß lang) und seinen Garten zur Verfügung gestellt, uns arabische Bücher geliehen, den Grundstock für unsere Sammlung ägyptischer Antiquitäten gelegt, uns Muscheln aus dem Roten Meer geschenkt usw. Er nimmt seine Arbeit offenbar sehr ernst, er hat Türkisch, Arabisch und Persisch gelernt – Türkisch zu diplomatischen, Arabisch zu alltäglichen und Persisch zu literarischen Zwecken – und mir soeben eine sehr philosophische Unterrichtsstunde in Arabisch erteilt.
Das Hôtel de lʼEurope, in dem wir wohnen, befindet sich an der Ezbekeyeh, der vornehmsten Promenade in – Europa, hätte ich beinahe gesagt. Wir haben sie heute morgen überquert, um Mrs. Lieder zu besuchen (Lieder ist leider krank), dann gingen wir durch die Straßen, gegen die die Gassen von Edinburgh geradezu Bond Streets sind, die aber nach Orient duften und auf denen auch kein Schmutz oder Aas liegt, sondern nur feiner weißer Sand. Dieser Sand ist Kairos große Plage, alles ist davon bedeckt, Kleidung, Papiere, Hände, Tische. Wenn man das Fenster nur für einen Augenblick offen läßt, kommt eine regelrechte Sandwolke herein und es ist aussichtslos, ihm entkommen zu wollen. Vergitterte Balkone schauten auf uns herab, hier war nur Platz zum Gehen und eine schmale gewundene Treppe führte uns zu Lieders Haus. Sie besitzen ein unschätzbares Bild von Kleopatra, offenbar ein Porträt, nicht schön – sie schielt –, aber doch sehr liebreizend – und eines von Berenike.
Am Nachmittag ritten wir mit unserem treuen Cicerone, Mr. Legros, auf den Schlachtrössern, den Eseln, zur Fähre und fuhren zur Insel Roda – Ibrahim Paschas Garten – im Nil. Es ist kein besonderer Garten, abgesehen davon, dass der Bambus prächtig wächst, aber die Palmen und Bananenstauden sind nicht halb so üppig wie in Alexandria. Aber er brachte uns bei Sonnenuntergang auf die andere Seite der Insel und dort fiel das orangene Licht auf die drei Pyramiden, die dreieckigen Segel und den ehrwürdigen Nil. Es war ein langweiliger Abend, wie wir ihn bisher in Kairo noch nicht erlebt haben; und wenn es keine große Veränderung gibt, finde ich das Theater, das die Leute um dieses Licht machen, völlig unbegreiflich. Wir gehen natürlich nie ohne häßlichen Schleier aus dem Haus – das aber ebenso wegen des Schreckens der Moslems vor uns wie zum Wohl unserer Augen.
Aber der Abend stand im Einklang mit der Aussicht. Es würde sehr häßlich klingen, wenn ich ihn beschreiben sollte – der braune Nil, zu dem Licht so gut paßt, die braunen Häuser, die braune Wüste und die orangenen Sonnenstrahlen in solcher Übereinstimmung – so viele satte Brauntöne – das Ganze ist wunderschön. Die blauen, pfeilschnellen Flüsse Europas würden hier nicht her passen. Der Nil wäre nicht der feierliche Gott, wenn er anders wäre. Er ist wunderschön, auch wenn man kaum sagen kann warum. Ich fürchte aber, dass Kairo bei Niedrigwasser sehr anders sein wird, wenn wir zurückkommen.
Auf unserem Ritt nach Hause schien wieder der Mond, und Ihr macht Euch keine Vorstellung von orientalischem Mondlicht – es ist weiß wie Schnee und die Schatten sehen aus, als sei der Schnee aufgetürmt worden; es ist zu seltsam und zu farblos, um schön zu sein.
Ich habe Pläne von ägyptischen Tempeln in der Bibliothek des Konsuls (Mr. Murray) abgezeichnet. Manchmal sitzen wir bei ihm im Garten auf dem Sofa und ein kleiner griechischer Diener bringt uns Kaffee in kleinen filigranen Silbertassen. Er achtet darauf, daß seine Hände nicht die unseren berühren, und macht eine tiefe Verbeugung. Wenn der Konsul in die Hände klatscht, erscheint er sofort.

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