4. Brief: Auf dem Nil

Auf der „Parthenope“, nilaufwärts, 4. Dezember 1849
Meine liebste Familie,
Wir sind in unserem Dahabieh unterwegs; es heißt, es sei das beste Boot des Flusses. Die Kajüte ist ein schöner kleiner Raum, gestrichen und mit grünen Holzpaneelen, und mit einem Sofa, das um das ganze Zimmer führt. Die B.s sind in der zweiten Kabine, dann kommt ein Flur mit großen Kojen, die dritte gehört mir. Das Moskitonetz ist aufgehängt – eine großartige Erfindung –, und auch, wenn es manchmal stickig ist, besteht in der Kabine eines Dahabieh keine Gefahr, daß es nachts zu warm wird. Was die Biester betrifft, so muß man alle Ausflüge und jeden Kontakt mit seinen Mitmenschen vermeiden, wenn man das oberste Ziel hat, sich von ihnen fernzuhalten; es ist unmöglich. Die Männer rudern zum Klang des unbeschreiblichen Lärms, den sie machen.
Mr. Legros, unser treuer alter Freund, hat uns gestern abend an Bord begleitet. Er ist für uns Colyar II., und ich dachte, diese Dynastie sei ausgestorben. Er ließ uns von Boulak wegfahren, wo die Araber und die Flöhe schrecklich sind, zur Insel Roda, wo wir einen Spaziergang in der Dämmerung machten. Der Mond ging hinter den Bäumen am Nilufer auf und schien durch sie und die hohen Binsen hindurch, auf das einsame Wasser; es war das Faszinierendste, was ich je gesehen habe. Wir brachen in Kairo auf sechs Eseln auf, die uns und unsere Matratzen trugen, inmitten des ohrenbetäubenden Krachs der Araber, deren Lärm und Durcheinander unbegreiflich ist (während der majestätische Türke nie ein unnötiges Wort sagt), und hatten einen wunderschönen Ritt im Sonnenuntergang durch die Alleen aus Schilf, von denen aus man nichts sieht bis auf den Himmel, hinunter zu Ibrahim Paschas neuem Palast, am Flußufer, wo Mr. L. unser Boot vertäut hatte, um nicht im Weg zu sein.
Die riesigen Pyramiden ragten im Zwielicht empor – die Frösche quakten – und die tiefe Stille dieser friedlichen Gewässer war so beruhigend. Ich pflückte einen kleinen Strauß Rosen auf der Insel Roda (Moses Insel) – die letzten Rosen Ägyptens. Jetzt segeln wir so langsam weiter, daß man die Bewegung kaum spürt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Florences Nightingales Briefe aus Ägypten

1. Brief: Alexandria (A)

11. Brief - Anachoreten (B)