5. Brief: Ein afrikanisches Dorf (B)

Dann gingen wir durch das Dorf. Aber kein Europäer kann auch nur die leiseste Vorstellung vom Elend eines afrikanischen Dorfes haben; wer es nicht gesehen hat, dem hilft auch die beste Beschreibung nicht. Ich sah eine Tür von etwa drei Fuß Höhe, in einer Lehmhütte, und schaute vorsichtig hinein, sah in der Dunkelheit nichts außer einem Schaf mit weißen Hörnern und einer weißen Henne, aber etwas anderes bewegte sich, und dann krochen vier menschliche Gestalten hervor, drei Frauen und ein Kind, sie machten einen halbherzigen Versuch, ihre Gesichter vor meinem Ifrit zu verschleiern. Ihr Kamel war nur deshalb nicht dabei, weil es nicht hineinpaßte. Hinter der nächsten Tür befand sich ein Mais-Lager, und sie unterschied sich von der ersten nur dadurch, daß sie sauberer war, und da die Hütte kein Dach hatte, schaute ich über sie hinweg. Mein Ifrit ist so besorgt um mich, daß er niemanden in meine Nähe kommen läßt. Tut es doch jemand, stößt er schrecklich klingende Worte aus, die ich nicht verstehe, und die Leute weichen sofort zurück. Alle Häuser im Dorf sehen genauso aus wie dieses, die Lehmwände sehr dick, beinahe drei Fuß. Mir schien, daß sich nur ein Verschlag darin befand, aber ich ging nicht hinein, weil ich versprochen hatte, es nicht zu tun. Ein paar kleine Dinger machten sich auf den Weg, um Wasser vom Nil zu holen, jeder mit einer Amphore auf dem Kopf, jeder mit einem Fetzen bekleidet, der kaum den Körper bedeckte, aber den Kopf verhüllte (der Araber bedeckt immer sein Haupt). Die Hunde, die aussehen wie Füchse, sprangen vom Dach, als sie mich und meinen Ifrit sahen, aber sie wichen zurück. Das Dorf schien recht groß zu sein – es hatte einen Vorsteher mit eigenem Haus, einen Khan. Ich schaute vorsichtig hinein. Rund um die Wände lagen reihenweise Kamele – ein paar Zellen hinter ihnen, ohne Dach und ohne Bodenbelag, zeigten Spuren von Reisenden. Aber ich hatte Angst vor Aufruhr, also verschleierte ich mein Gesicht und ging weiter. Jemand brachte ein Tablett mit den türkischen winzigen Kaffeetäßchen (aus denen wir auch trinken) – das einzige feine Geschirr, das die Araber besitzen. In jedem Dorf sieht man ein Kaffeehaus, meistens eine Hütte ohne Dach, gebaut aus Maisstengeln, mit Lehmbänken im Inneren, immer mit Fingerhütchen voll Kaffee, der nicht so gemacht wird wie bei uns. Er wird in einen Trichter geschüttet, für einen Moment gekocht und dann direkt eingegossen und schwarz getrunken. Man kann unseren Kaffee in diesem Klima nicht ungestraft trinken, er erwärmt einen zu sehr. Wir gingen durch das Dorf, die Hütten standen wild durcheinander, wie Tiere ihre Nester bauen, ohne Regeln und Plan. Die Tauben schienen besser untergebracht zu sein, sie hatten runde Lehmständer, höher als die Häuser, mit Töpfen vollgestopft, in denen sin nisten können, und Stöckern, auf denen sie sitzen können. Die Neugier auf mich war nicht groß, auch wenn sie (die Araber, nicht die Tauben) noch nie eine europäische Frau gesehen haben können, aber sie sahen ebensowenig interessiert aus wie die Hunde. Als ich zurückkam und wieder den Dahabieh bestieg, herrschte nur leichter Wind, und der kam aus dem Süden. Die Sonne stand hoch am Himmel, aber es war immer noch zu kalt, um an Deck zu frühstücken, was wir einmal getan haben.

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