1. Brief: Alexandria (G)

Wir besuchten die Katakomben, die verglichen mit denen in Rom eine Farce sind, und die Pompeiussäule. Unser Weg führte über einen großen häßlichen Friedhof, und mir war, als kämen wir an das Ende der Welt. Der Boden war nicht bepflanzt, sondern mit kleinen, weißen runden Haufen Lehm übersät, darin steckten ein Stein und eine vertrocknete, kein bißchen grüne Aloe. Oft sind die Gräber nur Steinhaufen, die besten waren zwei weiße Platten. Eine einsame Gestalt stand mit gefalteten Händen, das schwarze Gewand über den Kopf gezogen, inmitten dieser Trostlosigkeit. Daß es keine Friedhofsmauer gibt, sondern die Grabsteine sich in alle Richtungen erstrecken, macht den Anblick frappierend, und die Pompeiussäule wirft ihren unermeßlichen Schatten auf die Ebene.
Eines Tages fuhren wir zum Schauplatz der Schlacht von Abukir – eine öde Wüste aus weißem Sand und weißen Steinen, in der Ferne eine dürftige Reihe Palmen, im Vordergrund die verfallenen Mauern von Nicopolis, erbaut von Augustus. Die Straße lag tief in dem Sand, durch den wir wateten. Es sah aus wie das Grabtuch für die Leiche eines Riesenreiches – die schaurige Geschichte der verblassenden Knochen eines Königreichs. Ich ging zur Küste hinunter, weil ich die schreckliche Tristesse nicht ertragen konnte, und am Strand entlang, wo sich die Wellen brachen und die Sonne hinter dem Pharos unterging – es war der Triumphzug eines ägyptischen Sonnenuntergangs mit den durchsichtigen grünen Höhlen des Meeres im Hintergrund, nicht wie das pompöse Begräbnis mit dem weißen Leichentuch, sondern wie die Heimkehr eines Helden des Vaterlandes, voller Licht und Liebe.
Auf dem Nachhauseweg sahen wir unser erstes ägyptisches Denkmal, den gewaltigen Kopf und Oberkörper einer Königin, die als Isis (der Rest des Körpers befand sich weiter weg) in Granit gemeißelt war. Sie steckte in einem Sumpf, gemeinsam mit Ptolemäus, ebenfalls kaputt, und Osiris, die ganz in der Nähe lagen. Die Gesichtszüge waren wunderschön, aber vom Wasser schwärzlich geworden, ringsum wuchs Schilf.
Hier läuft immer ein Diener vor einem her, genauer gesagt vor den Pferden, und knallt mit seiner Peitsche. Wozu man den armen Kerl braucht, kann ich nicht sagen, denn die Pferde würden den Weg auch allein finden. Aber er sieht aus wie ein böser Geist, der einen ständig begleitet, anspornt, verschwindet und wieder auftaucht. Die arbeitenden ägyptischen Frauen sehen für ihre Umgebung aus wie Elefanten. Der häßliche schwarze Schleier, befestigt an der Nasenspitze, umhüllt sie wie eine Baumrinde, so daß sie wie Baumstämme aussehen.

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