1. Brief: Alexandria (H)

Ich und die Mücken kennen viele Kniffe, mit denen wir einander austricksen. Σ und Mr. B. sehen aus, als hätten sie die Pocken, aber ich – die ich in einer Gummiwanne und mit einer Talgkerze im Mund schlafen würde, wenn es empfohlen würde – schließe meine Fenster vor Sonnenuntergang und höre, wie die kleinen Biester ihre Flügel ausbreiten und dabei höllische kleine Triumphschreie ausstoßen. Dann mache ich die Tür auf und stelle ein Licht in den Flur – sie glauben, ich sei dort, und folgen dem Schein, aber ich bin nicht da – verratet es ihnen nicht. Wenn der Abend kommt, nehme ich mir einen großen Bogen Papier und fange an zu schreiben, dann glauben sie, ich dächte noch nicht an Schlaf. Aber ich breche mitten in einem Wort ab und renne so schnell wie möglich zur Levinge, wo ich mich in einem so kleinen Loch verstecke, daß man sagen würde, ein Kamel könnte durch ein Nadelöhr gehen. Dann falte ich die Hände und singe ein kleines Lied zu Ehren von Merkur, dem Gott des Diebstahls, denn ich habe mich selbst vor den Mücken davongestohlen. Derweil höre ich, wie sie vor Wut und Enttäuschung pfeifen, und sehe ihre Rüssel durch die Gardinen kommen, als wollten sie mit allem auf und davon fliegen. Ich leugne nicht, daß einige auf mir unbekannten Wegen ans Ziel gelangen – sie haben entweder unterirdische Gänge oder Schlüssel. Ein arabisches Bad ist nicht angenehm – bis auf seine Lage. Man betritt eine riesige, mit Marmor ausgelegte Halle, geht durch Marmorkorridore in ein achteckiges Gewölbe, ebenfalls ganz mit Marmor vertäfelt, bis auf die Löcher im Dach, durch die einzelne Strahlen grellen Sonnenlichts fallen. In den Ecken befinden sich kleinere Hallen, sehr hoch, mit Marmorbecken und glitschigen Fußböden – wie man es aus Tausendundeiner Nacht kennt. Unser Haus hat ein echtes orientalisches Dach mit kleinen Häusern (1) darauf und einen herrlichen Blick auf die See. Der Meeresspiegel ist seit unserer Ankunft so hoch, daß wir nicht dankbar genug für unsere problemlose Überfahrt sein können.

Anmerkung der Übersetzerin:
1: Häuser auf dem Dach - das steht wirklich so da.

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