7. Brief: Der Nil (G)

Unser Dahabieh hatten seinen Ankerplatz zwischen Booten mit Getreide, Bohnen, Hausbooten und Leichenbooten, alle um uns herum verstreut. Um zehn Uhr fuhren wir ab. Ich sah etwas Seltsames – eine Leiche auf einer Bahre, bedeckt mit einem roten Tuch, und begleitet von unzähligen Frauen in Blau (ihrer Trauerkleidung), die auf einer Fähre über den Nil zum Friedhof gebracht wurde. Die ägyptischen Friedhöfe befinden sich alle jenseits des Nils, und es ist so offensichtlich das Vorbild für den Charon und den Styx, daß es als notwendiger Schritt erscheint, um einen um 3000 Jahre zurückzuversetzen. Ich ging gegen Mittag an Land und sah mein erstes Feld Zuckerrohr und einen prächtigen Falken und sah zu, wie ein paar Männer arbeiteten. Der Schaduff besteht nur aus zwei überkreuzten Stangen mit Gewichten, an denen zwei Binsenkörbe hängen, die nicht einmal mit Lehm verkleistert sind, so daß die Hälfte des Wassers ausläuft, bevor er am Ziel ist, das das Wasser des Nils in eine Rinne gießt (oder gießen soll), die auch aus geflochtenen Binsen besteht, aus der ein höherer Schaduff es in eine andere Rinne leitet, und so erreicht es die Zuckerrohrfelder. Etwas so Einfallsloses kann man sich nicht vorstellen. Die Männer hatten den ganzen Tag gerudert (wir waren auf der Ostseite des Flusses), und das Dorf, in das wir wollten, war immer noch drei Meilen entfernt. Wir kamen nicht weiter und zum ersten Mal gingen wir auf der Ostseite vor Anker. Paolo hatte schreckliche Angst, dass die Beduinenstämme (denn die Wüste liegt hier nahe am Ufer) uns überfallen würden. Wir ließen einen Wachposten aus dem Dorf kommen und wurden angewiesen, die Lichter zu löschen, und uns so wenig wie möglich sehen oder hören zu lassen. Ich schaute in die Nacht hinaus und sah ein Feuer, das am hohen Ufer angezündet wurde, und fünf alte Weiber kauerten grinsend darum herum: Es war wie eine Beschwörung in Macbeth. Hinter ihnen erstreckte sich der düstere dunkelblaue Sternenhimmel (es war wie ein Gemälde von Etty) und ein undurchdringlicher Wald und Unterholz aus Palmen; es war das erste Mal, daß wir Palmen wirklich wachsen sahen, nicht auf einer Plantage, sondern einen richtigen Wald – ich habe noch nie ein so fabelhaftes Bild gesehen. Später in der Nacht wollte ich es noch einmal sehen, aber Paolo ertappte mich. Ich löschte gewissenhaft meine Kerzen, öffnete vorsichtig das Fenster und steckte den Kopf hinaus. Sofort bekam ich Staub in die Augen und etwas Kratziges streifte meine Stirn. Paolo hatte einen scheußlichen Teppich aufgehängt, der das ganze Boot entlang reichte, damit von außen nichts zu sehen war, und sich selbst im Gang häuslich niedergelassen und die Kabinentüren sorgsam abgeschlossen.

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