7. Brief – In der Wüste von Scheich Hassan (A)

11. Dezember
Ich habe immer einen Brief fertig und versiegelt dabei, für den Fall, daß etwas passiert, und das war soeben der Fall – in der Person unseres Freundes Hassan Efendi, der auf seinem Rückweg nach Kairo zustieg. Er war beim Pascha in Miniyeh gewesen und hatte Branntwein getrunken!
Gestern und heute hatten wir keinen Wind und haben lange Spaziergänge in die östliche (arabische) Wüste gemacht, um Steinbrüche und Katakomben zu besichtigen. Der Eindruck, den die Wüste macht, ist immer neu, immer unbegreiflich, je öfter man sich darüber wundert, desto fremder und auf geheimnisvolle Art mächtiger erscheint es einem. Wenn ich mich an einer Beschreibung versuchen wollte, würdet sie Euch nicht bekannter vorkommen. Selbst jetzt, da ich in der sanften Dämmerung in unserer gewandten „Parthenope“ dahintreibe, kann ich sie kaum begreifen. Es ist nicht die Abwesenheit von Leben, sondern der Tod des Lebens, das sie so schrecklich macht – des Lebens, das es gab, wie die einsame Katakombe, der bemalte Felsentempel und der ferne Streifen Grün am Nil bezeugen. Eine leblose Wüste wäre viel weniger furchtbar als diese tote Wüste, bei der einem ständig der Gedanke kommt, es sei ein schrecklicher Teufel am Werk, der sich dieses Königreich zu eigen macht, indem er alles auf einen Schlag überwältigt.

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