8. Brief - Die prosaische Schönheit der Grabstätten (I)

Wir fuhren an diesem Tag nur ein kleines Stück weiter und gingen für die Nacht in Nezlet e Shekh Timay vor Anker. Nun war es so, daß Nezlet e Shekh mit dem Dorf auf der anderen Seite des Ufers, Shekh Timay, im Krieg lag – wegen einiger Palmen, für die N. e. S. T. einen Mann aus dem anderen Dorf getötet hatte, und obwohl jetzt zwei Männer deshalb in Miniyeh im Gefängnis sitzen, gilt hier das Gesetz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Erst wenn auch der letzte Verwandte des Mörders ermordet wurde, kehrt wieder Ruhe ein und die Sache ist erledigt. Nun läßt N. e. S. T. keine Boote anlegen, aus Furcht, daß die Bewohner des anderen Dorfes die Gelegenheit ergreifen und entweder die Boote beschädigen, damit die Regierung am nächsten Dorf Rache nehmen würde (und es vielleicht völlig zerstören würde), oder sich selbst ins Dorf schleichen würden, jetzt, da alle männlichen Bewohner bis auf zwölf in Kairo sind. Aber wir hatten den Scheich von N. e. S. T. in Miniyeh gesehen und ihn zum Kaffee auf unser Boot eingeladen, und seine Tochter hatte à la Capulet den Scheich des feindlichen Dorfes geheiratet. Also gab er uns einen Brief für das Dorf mit, in dem er die Leute anwies, uns anlegen zu lassen, und uns drei Wachen zu geben, und zwei Katzen, die wir fast genauso dringend brauchten, denn die Ratten in meiner Kabine sind so kühn und frech, daß ich nachts aufstehen muß, um meine geliebten Stiefel zu verteidigen. Man kann bei aller Sorgfalt keine Ratten fernhalten, wenn man die ganze Nacht neben Getreideschiffen vor Anker liegt. Wir bekamen also drei Wachen, das Boot wurde auf beiden Seiten in Teppiche gewickelt wie ein Paket in Packpapier, um uns vor beiden Timays zu schützen, und wir hockten die ganze Nacht wie Vögel in einem Nest. N. Timay liegt auf einer Insel, also wurden wir um einen Morgenspaziergang betrogen. Es war der erste bewölkte Tag, den wir hier erlebt haben. Jeder weiß, daß Mohammed Ali das ganze Eigentum Ägyptens beschlagnahmt hat; nicht nur das Land der Grundbesitzer, sondern auch das Einkommen aller religiösen Einrichtungen.

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