9. Brief - Bei Manfalut (A)

17. Dezember
Wir haben in den letzten zwei Tagen keinen Hauch Wind gehabt und sind nur sehr wenig weitergekommen – etwa sechs oder sieben Meilen am Tag. Die Mitglieder unserer Besatzung haben keine sehr fähigen Körper. Heute hatten wir bei Sonnenaufgang eine Brise und fuhren am Morgen kühn unter den gewaltigen Klippen von Gebel Abu Fodde durch. Ich ging auf der anderen Seite an Land, wo die Mannschaft zum Frühstück anhielt, und sah den Scheich Jacob mit seinen Herden und Hirten nach Ägypten kommen – Trauben von Büffeln, Kamelen, Schafen mit braunen Hörnern und reichlich Eseln. Das war ein ganz neuer Anblick; in Ägypten vergißt man die Existenz von Ländern mit Viehzucht, „denn die Ägypter haben gegen alle Viehhirten eine große Abneigung“, so sehr ist das Land von Ackerbau geprägt.
Es war zwei Tage dicht bewölkt gewesen, aber nicht windig; die Seemänner wußten nicht, was sie davon halten sollten, sie hatten noch nie einen solchen Himmel ohne einen gleichzeitigen Schirokko gesehen. Schließlich brachte uns ein Nordwind tapfer durch die Meerenge von Gebel Abu Fodde, aber gegen Mittag, als der Fluß sich in Richtung Südwesten wand, war die Mannschaft gezwungen, zu rudern, bald wehte der Wind mit solcher Kraft, daß sie nicht gegen ihn ankamen. Wir gerieten in eine kleine Bucht, wo der Wirbel ein richtiger Strudel wurde. Fünf Mal versuchten wir, aus dieser Ecke herauszukommen, und fünf Mal wurden wir herumgewirbelt, bis wir es aufgeben mußten. Besonders provozierend fanden wir es, daß fünf Dahabiehs, die in der Mitte des Flusses blieben, an uns vorbeifuhren. Sie kamen dem Wind sehr nahe und bei einem begann das Segel zu flattern. Gegen drei Uhr wurde der Chamsin stärker; ein solcher Wind zerstörte vor sechs Jahren eine Karawane von 300 Kamelen, die Mohammed Ali gehörte. Es kam zu einem Sandsturm. Der Fluß schien auf den Kopf gestellt zu sein, als triebe der Grund oben, buchstäblich bedeckt vom Sandsturm der Wüste. Wir konnten das andere Ufer nicht sehen und wenn wir an Deck stehen konnten, was nicht oft der Fall war, bekamen wir sofort Sand in die Augen und ins Gesicht. Der Autor von The Critic, in dessen Werk die Themse nicht zwischen ihren Ufern fließt, kann sich nicht rühmen, diese Idee als erster gehabt zu haben, denn der Nil hat diesen Plan vorher erfunden, und heute floß er nicht inmitten seiner Ufer, sondern seine Ufer flossen in seiner Mitte.

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