Posts

Es werden Posts vom Oktober, 2023 angezeigt.

8. Brief - Beni Hasan (B)

Wir kamen am Eingang der Grabkammern an, die sicher vor 4000 Jahren gebaut wurden, denn die Kartusche von Osirtasen I. aus der XVI. Dynastie ist überall sichtbar, in dessen Zeit Wilkinson Josef ansiedelt, aber Bunsen verortet die Osirtasens mindestens vier Dynastien früher, in der XII. Dynastie, 2801 v. Chr., und begräbt sie in Beni Hasan. Aber das ist mir nicht so wichtig, es ist sicher, daß, außer den Pyramiden, diese Monumente die ältesten in Ägypten und wahrscheinlich auf dieser Welt sind, diese sind die ersten datierten aller gesicherten antiken Bauwerke – von allem, was wir sehen müssen – also besichtigten wir diese angemessenerweise als erste. Die Klippe ist von großen Felsen bedeckt, die aus ihren Plätzen in den Strata weggerollt sind, die Klippe selbst ist eine Ruine ebenso wie ihre Denkmäler. Alles, alles, die Werke Gottes ebenso wie die Werke der Menschen, taumeln ihrem Verfall entgegen. Wenn der heilige Paulus und der heilige Johannes hier gelebt hätten, wäre es kein Wund

8. Brief - Beni Hasan (A)

Beni Hasan, 14. Dezember 1849 Mein erster wirklicher ägyptischer Tag. Oh, meine Familie – fast auf den Tag vor zwei Jahren habe ich die Sixtinische Kapelle zum ersten Mal gesehen. Es war meine erste Einführung in die Geheimnisse Michelangelos und heute war meine erste Einführung in die Geheimnisse Ägyptens. Ich betete um Gegenwind, damit wir nicht an Beni Hasan vorbeifuhren, ohne die Höhlen zu sehen, deren Säulengänge hoch oben auf dem Felsen wir den ganzen Tag von dem trägen Dahabieh aus gesehen hatten. Wir kamen um fünf Uhr gegenüber von ihnen an, zu spät, um hinaufzusteigen, also ankerten wir in Kôm. Mir wurde versprochen, daß wir, wenn wir in der Nacht keinen günstigen Wind hatten, am nächsten Tag bei Sonnenaufgang weiterfahren würden. Als ich morgens aufwachte, fuhren wir weiter, obwohl der Morgenstern klar im Osten aufgegangen war. Ich dachte, sie würden mir einen Streich spielen, aber nein, bei Sonnenaufgang legten wir in dem kleinen Boot ab, überquerten den Nil und landeten d

7. Brief - Der Nil (I)

Als wir wieder auf dem Boot waren, fuhren wir an einem verlassenen arabischen Dorf namens Metahara vorbei, mit einer Thebener Pforte, und einer Allmende mit Palmen, wo ich ein Paar wunderschöne grüne Vögel sah, wie Papageien. Es gab eine verlassene Moschee, alles war ohne Dach und jämmerlich. Abends machten wir einen schönen Spaziergang in Kôni, wo wir auch die Nacht verbrachten. Zuckerrohr wuchs zehn Fuß hoch zwischen den wilden Palmen, unter denen ein junges Kamel graste, und das Unterholz bestand aus Akanthus. Zwei Männer beteten und senkten die Stirn bis auf den Boden. Sie waren völlig versunken – die ersten Leute, die ich seit Kairo habe beten sehen. Die Christen haben hier einen schlechten Ruf. Sie sind die Schreiber des ganzen Landes und werden – wie bei uns die Anwälte – beschuldigt, alle möglichen Schwierigkeiten zu vervielfachen und komplizierter zu machen, um sich Arbeit zu beschaffen: „So verdienen sie ihren Lebensunterhalt.“ Das christliche Dorf, in dem das Kloster liegt,

7. Brief - Der Nil (H)

Als wir morgens an Land gingen, sah ich einen alten Mann auf dem Boden sitzen. Er beschwor mit Eifer zwei Schlangen, etwa vier Fuß lang, die sich aufgerichtet hatten und ihre gegabelten Zungen zeigten – flachköpfige, bösartig aussehende Reptilien, aber offenbar vertraut mit ihm. Er hatte noch zwei andere in einem Beutel und steckte schließlich auch diese beiden hinein, und sie ließen es sich ruhig gefallen. Er war offenbar ein guter Beschwörer, aber wenn er ihnen nicht die Zähne gezogen hätte, wären sie gefährliche Freunde gewesen, so gut er sie auch beschwören konnte. Die beiden aufgerichteten Schlangen waren Kobras, die heilige Aspisviper Thermutis, die das Haupt der Isis krönt, und ist das Symbol des Königtums, Kleopatras Viper. Die Ägypter nennen sie Nashir, weil sie ihre Brust ausbreitet. Die beiden anderen waren gewöhnliche harmlose Schlangen. Der Mann sah mich nicht, und offenbar gab er sich nur zum Zeitvertreib mit den Schlangen ab.

7. Brief: Der Nil (G)

Unser Dahabieh hatten seinen Ankerplatz zwischen Booten mit Getreide, Bohnen, Hausbooten und Leichenbooten, alle um uns herum verstreut. Um zehn Uhr fuhren wir ab. Ich sah etwas Seltsames – eine Leiche auf einer Bahre, bedeckt mit einem roten Tuch, und begleitet von unzähligen Frauen in Blau (ihrer Trauerkleidung), die auf einer Fähre über den Nil zum Friedhof gebracht wurde. Die ägyptischen Friedhöfe befinden sich alle jenseits des Nils, und es ist so offensichtlich das Vorbild für den Charon und den Styx, daß es als notwendiger Schritt erscheint, um einen um 3000 Jahre zurückzuversetzen. Ich ging gegen Mittag an Land und sah mein erstes Feld Zuckerrohr und einen prächtigen Falken und sah zu, wie ein paar Männer arbeiteten. Der Schaduff besteht nur aus zwei überkreuzten Stangen mit Gewichten, an denen zwei Binsenkörbe hängen, die nicht einmal mit Lehm verkleistert sind, so daß die Hälfte des Wassers ausläuft, bevor er am Ziel ist, das das Wasser des Nils in eine Rinne gießt (oder gie

7. Brief: Der Nil (F)

Er war Christ und im Begriff, seine Glaubensbrüder zu empfangen, und das waren die Mönche, Kopten von Mariam el Adra (der Jungfrau Maria), die für Almosen angeschwommen kamen. Nach einem gespielten Kampf mit dem Hammer öffneten sie den Mund und bekamen eine Münze im Wert von fünf Para unter die Zunge geschoben, was „Bones“ sehr geschickt tat, und dann schwammen sie wieder weg. „Bones“ eilte zu unserer kleinen Feluke hinten, um sie daran zu hindern, an Bord zu kommen. Wir sahen, wie sie tropfnaß und splitternackt an Land gingen und die Klippen zum Kloster hinauf. O je! Als ich zum erstenmal sah, wo dieses Kloster stand, hoch oben auf den Klippen einer undurchdringlichen Wüste, mit Blick auf das Tal des dunklen und düsteren Nils, dachte ich an Missionare der Wüste und Asketen aus Thebaïs , und diese jämmerlichen Bettler im Wasser zu sehen, die, ich muß es leider sagen, zu meinem Entsetzen so wirkten, als wollten sie Dahabiehs ausrauben, war desillusionierend. Ich war selten so enttäusch

7. Brief - Der Nil (E)

Sobald wir in See gestochen waren, wurden die Felsen am Ostufer immer steiler und wir sahen Stufen, die ins Wasser führten. Wir sahen ein Mitglied unserer Crew, den Witzbold der Gruppe; er trug eine Segeltuchhose, eine Weste und einen zerknautschten Strohhut (woher er den hatte und wo er ihn aufbewahrte, wissen nur die Pharaonen) und bewaffnet mit einem Hammer. Was dieser Scherz bedeuten sollte, ahnten wir nicht, bis wir etwas sahen, das aussah wie eine Reihe Bisamratten, die durch den Fluß auf uns zu schwammen, der hier bemerkenswert breit ist. Die schwarzen Objekte näherten sich der Seite des Bootes, und auch „Bones“ kam mit seinem Hammer näher. Dann verstanden wir den Witz.

7. Brief - Der Nil (D)

Als wir zurückkehrten, trafen wir zwei Efendis, die wir kannten, an Bord unseres Bootes an. Sie warteten auf uns. Sie nutzten diese Gelegenheit, weil sie Angst hatten, Christen zu grüßen, wenn sie in Begleitung von Paschas waren – es brachte sie in Schwierigkeiten. Einer war ein armer Junge, großgezogen von Ibrahim Pascha, und nach England geschickt, um Schiffsbau zu lernen. Er ist nun der Chef dieses Bezirks in Bulaq , und er brachte unsere Briefe für uns nach Kairo. Ein leichter Wind war aufgekommen, und wir nutzten ihn, um weiterzufahren, und kamen um acht Uhr abends nach Miniyeh, das wir am Sonntag hätten erreichen sollen. Wir bedauerten die Verspätung, weil der Pascha gerade die prächtigen orientalischen Truppen dort gemustert und Miniyeh gleich danach verlassen hatte.

7. Brief - Der Nil (C)

Wir fanden einen Intaglio , überlebensgroß, von Ramses III. (aus der 19. Dynastie) (1), ungefähr sechzig Jahre vor Samuel, zwischen zwei schrecklichen Göttern, wahrscheinlich Hathor und Osiris, mit seiner Kartusche neben sich. Um die Ecke eine kleinere Kammer im Felsen, Athor gewidmet, um die Steinbrüche unter ihren Schutz zu stellen, die bemalte Decke fast völlig verblichen, die Säulen „in antis“ kaputt, aber eine Statue von Rhæbenæn (2), dem Sohn Ramses des Großen (aus der 18. Dynastie) (3), mit zwei Göttern, befindet sich immer noch über dem Altar. Der Anblick des Nils war aus dieser Höhe bemerkenswert häßlich – gelblich-grüne Felder am Westufer, Wüste im Osten, nichts Schönes außer dem Himmel. Es hatte etwas Rührendes an sich – diese einzige Spur von Leben, die hier überdauert hatte, der Tribut der Ägypter an eine übernatürliche Macht. Anmerkungen der Übersetzerin: 1: Ramses III. (1221 – 1156 v. Chr.) gehörte zur 20. Dynastie. 2: Ich finde keinen Sohn Ramses' des Große

7. Brief - Der Schrecken der Wüste (B)

Vielleicht ist es der Kontrast zwischen Himmel und Erde, der den Schrecken der Wüste ausmacht. Wenn der Himmel über ihr dumpf und leblos wäre wie der unsere, würde es nicht so unnatürlich wirken – oder wenigstens würde man ihren Schrecken nicht so deutlich sehen wie in diesem grellen Licht. Aber während die Erde in unserem Land reich und mit Licht und von Leben erfüllt ist, ist der Himmel über ihr ein Gegensatz, weil er so tot ist. Hier dagegen ist der Himmel strahlend, das Licht lebendig, das goldene Licht, das nicht nur der Sonne zu entströmen scheint, sondern dem ganzen durchsichtigen blauen Firmament. Dann schaut man nach unten und die undankbare Erde liegt vor einem, hoffnungslos und hilflos, eine sterbende, vertrocknete Wüste: Man glaubt beinahe, den Teufel lachen zu hören, wenn er den Allmächtigen dazu herausfordert, aus Steinen Brot zu machen. Das ist es, was einem in Ägypten ein übernatürliches, geheimnisvolles Gefühl gibt – natürlich hebt man den Blick zum Himmel, wenn die E

7. Brief – In der Wüste von Scheich Hassan (A)

11. Dezember Ich habe immer einen Brief fertig und versiegelt dabei, für den Fall, daß etwas passiert, und das war soeben der Fall – in der Person unseres Freundes Hassan Efendi, der auf seinem Rückweg nach Kairo zustieg. Er war beim Pascha in Miniyeh gewesen und hatte Branntwein getrunken! Gestern und heute hatten wir keinen Wind und haben lange Spaziergänge in die östliche (arabische) Wüste gemacht, um Steinbrüche und Katakomben zu besichtigen. Der Eindruck, den die Wüste macht, ist immer neu, immer unbegreiflich, je öfter man sich darüber wundert, desto fremder und auf geheimnisvolle Art mächtiger erscheint es einem. Wenn ich mich an einer Beschreibung versuchen wollte, würdet sie Euch nicht bekannter vorkommen. Selbst jetzt, da ich in der sanften Dämmerung in unserer gewandten „Parthenope“ dahintreibe, kann ich sie kaum begreifen. Es ist nicht die Abwesenheit von Leben, sondern der Tod des Lebens, das sie so schrecklich macht – des Lebens, das es gab, wie die einsame Katakombe, d

6. Brief - Die Schönheit des Nils

Es gibt Inseln und Landzungen und Bäche, genau wie am Meer, und manchmal, wenn der Wind gegen den Strom bläst, ist es nicht mehr der gemächliche Nil, sondern ein sehr stürmischer See, mit weißen Pferden und turbulenten kleinen Wellen. Aber er ist immer schön. Und im allgemeinen verdankt er die Gemächlichkeit den Farben – es sind nur zwei oder drei Brauntöne, die sich allerdings genug abwechseln, dass es nicht langweilig wird – die braune Wüste, die braunen Pyramiden, der braune Nil. Bisher scheint nur wenig zu wachsen außer Mais. Dies ist ein sehr dummer Brief, meine lieben Freunde. Aber in einem Dahabieh überkommt einen eine Art Stumpfsinn. Wenn man auf dem Diwan liegt und langsam dahintreibt und das Ufer sachte an einem vorüberzieht, fühlt man sich, als würde man von einem unbekannten Fluß an eine unbekannte Küste getragen werden und alles, was man je kannte, für immer verlassen – ein geheimnisvolles Gefühl überkommt einen, als wäre es der Weg in eine andere Welt, die unsichtbare Re

5. Brief - Kairo vom Nil aus (H)

Wir fuhren an Gruppen häßlicher Pyramiden vorbei, die beiden in Gizeh hielten immer noch ihre hartnäckigen Spitzen aufrecht, am Horizont, dann kam eine Gruppe von dreien, die von Abusir , rauh und schäbig, dann wieder eine Dreiergruppe, die von Sahure , eine davon, die größte, aus der immer mehr Steine geraubt wurden – dann die beiden in Dahshur , die kaum kleiner sind als die großen Exemplare in Gizeh, ragten empor wie übergroße Hydranten. Ich konnte von Anfang bis Ende kein einziges Gefühl für diese Objekte aufbringen. Sie haben nichts Schönes an sich, nichts Malerisches – die verfallenen Pyramiden von Abusir und Sahure sehen aus wie zu groß geratene Bienenkörbe – und die anderen wie verstreute Zelte. Sie wecken keinerlei Enthusiasmus – pazienza ! Wir sind zweimal in der Nacht ein wenig gesegelt, aber nicht viel. Sirius scheint wie ein kleiner Mond auf das Wasser. Der Mond geht nun zu spät auf, als daß wir ihn sehen können, aber wir sehen ihn nachts durch die Fenster des Dahabieh sc

5. Brief - Kairo vom Nil aus (G)

Der Union Jack flattert am Achtersteven, Mr. B.s Farben an der Takelage, alles von uns selbst gemacht. Zwei Tage hatten wir keinen Wind und ruderten und schoben den ganzen Tag. Am dritten Tag kam im Norden Wind auf, und wir entfernten uns von Beni Suef, aber der letzte Blick auf Kairo war wunderschön, die Insel Roda mit dem Nilometer , einer Landzunge, die weit in den Fluß hineinragt, mit einem Minarett am äußersten Ende einer langen Allee aus Johannisbrotbäumen. Vorn befand sich eine kleine Gruppe am Ufer, Damen, die mit bloßen Händen Schmutz beiseiteschaufelten – dann kam der Vater und liebkoste sein Kind – dann stritten sich die Damen, und eine begleitete ihre Worte mit heftigen Gesten – dann beruhigten sie sich und machten sich mit denselben Fingern an der Durra zu schaffen, in die sie alle die Hände tunkten. Zwei Tage lang verschwand Kairo nicht aus unserer Sichtweite, und seine prächtige Zitadelle mit ihren Regenbogenfarben überragte immer noch alles. Ich kann nicht die unnatü

5. Brief: Kairo vom Nil aus (F)

Meine gesamte Arbeit, seit ich an Bord gegangen bin, bestand darin, die Flagge zu machen (die Flagge und der Name jedes Bootes müssen in Kairo registriert werden) – ein blaues Tuch mit Schwalbenschwänzen, einem roten Kreuz und ΠΑΡΘΕΝΟΠΗ in weißem Garn. Es wurde heute morgen am Mast gehißt und sieht wunderschön aus. Ich habe all mein Garn dafür gebraucht und sehr viele Stiche, aber es wird die schönste Flagge auf dem Fluß sein, und meine Unterröcke werden ihren Beitrag zur schwesterlichen Liebe mit Freuden leisten – denn schwesterliche Liebe, ausgedrückt in Garn, lohnt sich in Unterägypten, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.

5. Brief: Unsere Mannschaft (E)

Das Ergebnis, das sie erwarten, ist, daß der größere Teil verdrängt wird und das Land an den Pascha zurückgeht, der es Agenten in die Hände geben wird, die kein Interesse daran haben außer die Leute auszubeuten, sie werden Schaduffs, Scheunen und alles dem Ruin anheimfallen lassen, und so wird der Pascha zuerst feststellen, daß sein Einkommen steigt, aber danach wird der Zustand dieses Mannes schlimmer sein als der letzte. „Wehe denen, die (…) Feld an Feld fügen, bis kein Platz mehr da ist und ihr allein die Bewohner seid inmitten des Landes.“ Ach, ach, armes Ägypten! Die Gouverneure haben große Mühe, die Fellachen davon abzuhalten, aus ihren Dörfern davonzulaufen. Unsere Mannschaft ist eine sehr höfliche, ruhige Gruppe, sie sind wie Kinder. Wenn sie nicht are tracking (?) , sitzen sie im Kreis, mit zwei Wasserbehältern, die sie schlagen wie Tambourine, sie singen eine Art Rezitativ oder schreien es vielmehr, stundenlang, und lachen unbändig. „Jage den Schuh“ ist dagegen anspruchsvo

5. Brief - Der armenische Gouverneur (D)

Das einzige Geräusch war das Bellen der Schakale, die nicht näherkamen, weil es keine Kadaver für sie zu fressen gab, und blieben dort, wo es welche gab. Die ganze Natur wirkte ausgelaugt und sterbend, und der Nil floß gemächlich dahin, wie der Kokytus . Es war die völlige Ödnis, und die Sonne ging unter, als habe sie nicht einmal mehr die Kraft, die Wolken zu färben. An zwei Morgen in dieser Woche war der Nil in echten englischen Nebel gehüllt, so dicht, daß niemand an Land gehen wollte. Aber gestern nach dem Frühstück gingen wir und wurden von einem Armenier auf Englisch angesprochen. Er entpuppte sich als der Gouverneur der umliegenden Dörfer. Ich sprach lange mit ihm, und er lud mich ein, sein Dorf zu besuchen, und er würde mir all die Häuser der Araber etc. zeigen. Das hätte ich gern getan, aber gerade da kam der Wind auf, und Mr. B wollte ihn nicht ungenutzt lassen. Das war ein Jammer, weil wir unter diesen Türken vielleicht nie wieder einen Gouverneur finden, der bereit ist, u

5. Brief: Die Grausamkeit der Polizei (C)

Nach dem Frühstück gingen wir alle gemeinsam an Land, Paolo und Mr. B. hatten ihre Gewehre dabei, um uns unser Mittagessen zu schießen. Sie schossen sieben Wachteln, und wir schlenderten derweil durch die Wüste oder setzten uns in den Schatten, den ein Grasbüschel spenden konnte (das Gras war so hoch wie Schilf), denn die Sonne brannte vom Himmel auf uns nieder. Polizisten zu Pferd ritten an uns vorbei, gutaussehende Burschen mit Turbanen und Hosen, Gewehren und Pistolen, die Polizei, die Mohammed Ali geschaffen hat – rüpelhafte Arnauten – aber sie haben das Land effektiv gesäubert und für die Sicherheit von Europäern gesorgt. Man macht sich nicht die Mühe, zu untersuchen, wer der Täter ist, aber wenn ein Verbrechen geschieht, büßt das ganze Dorf, damit die Arbeit einer Untersuchung gespart wird. Vor fünf Jahren wurde ein Dahabieh geordert, um den Gouverneur von Indien zu treffen, und fuhr den Fluß hinunter. Ein paar Araber gingen an Bord und begingen Mord und Raub. Das Dorf wurde nie

5. Brief: Ein afrikanisches Dorf (B)

Dann gingen wir durch das Dorf. Aber kein Europäer kann auch nur die leiseste Vorstellung vom Elend eines afrikanischen Dorfes haben; wer es nicht gesehen hat, dem hilft auch die beste Beschreibung nicht. Ich sah eine Tür von etwa drei Fuß Höhe, in einer Lehmhütte, und schaute vorsichtig hinein, sah in der Dunkelheit nichts außer einem Schaf mit weißen Hörnern und einer weißen Henne, aber etwas anderes bewegte sich, und dann krochen vier menschliche Gestalten hervor, drei Frauen und ein Kind, sie machten einen halbherzigen Versuch, ihre Gesichter vor meinem Ifrit zu verschleiern. Ihr Kamel war nur deshalb nicht dabei, weil es nicht hineinpaßte. Hinter der nächsten Tür befand sich ein Mais-Lager, und sie unterschied sich von der ersten nur dadurch, daß sie sauberer war, und da die Hütte kein Dach hatte, schaute ich über sie hinweg. Mein Ifrit ist so besorgt um mich, daß er niemanden in meine Nähe kommen läßt. Tut es doch jemand, stößt er schrecklich klingende Worte aus, die ich nicht ve

5. Brief: Ein afrikanisches Dorf (A)

Vor Girga , 9. Dezember 1849 Morgen sind wir eine Woche an Bord und haben uns nun richtig in unserem Haus eingelebt. Alle unsere gimlets up (1), unsere Diwane aufgestellt, unsere türkischen Pantoffeln (mezd) liegen bereit, und alles ist an seinem Platz, wie es in einer so engen Unterkunft sein muß. Wenn Ihr mich fragt, wie mir das Leben an Bord eines Dahabieh gefällt, muß ich sagen, daß ich keine geborene Dahabieh-Bewohnerin und Diwan-Sitzerin bin. Ich sehne mich so danach, allein durch die Wüste zu wandern, meine Nase in alle Dörfer zu stecken, hierhin und dorthin zu eilen und où bon me semble . Ich möchte auf meinem Esel über das weite Land reiten, ich freue mich, wenn der Wind weht und ich an Land komme. Man nennt mich „die wilde Eselin der Wildnis, die die Nase im Wind hat“, weil ich so gern aufbreche und unterwegs bin. Ich liebe unseren Dahabieh als mein Zuhause, aber den ganzen Tag darin zu verbringen, wozu wir verdammt sind, wenn der Wind nicht weht, gefällt mir überhaupt nic

4. Brief: Auf dem Nil

Auf der „Parthenope“, nilaufwärts, 4. Dezember 1849 Meine liebste Familie, Wir sind in unserem Dahabieh unterwegs; es heißt, es sei das beste Boot des Flusses. Die Kajüte ist ein schöner kleiner Raum, gestrichen und mit grünen Holzpaneelen, und mit einem Sofa, das um das ganze Zimmer führt. Die B.s sind in der zweiten Kabine, dann kommt ein Flur mit großen Kojen, die dritte gehört mir. Das Moskitonetz ist aufgehängt – eine großartige Erfindung –, und auch, wenn es manchmal stickig ist, besteht in der Kabine eines Dahabieh keine Gefahr, daß es nachts zu warm wird. Was die Biester betrifft, so muß man alle Ausflüge und jeden Kontakt mit seinen Mitmenschen vermeiden, wenn man das oberste Ziel hat, sich von ihnen fernzuhalten; es ist unmöglich. Die Männer rudern zum Klang des unbeschreiblichen Lärms, den sie machen. Mr. Legros, unser treuer alter Freund, hat uns gestern abend an Bord begleitet. Er ist für uns Colyar II. , und ich dachte, diese Dynastie sei ausgestorben. Er ließ uns von

3. Brief: Kairo (K)

Gestern hat Dr. Abbott uns seine Antiquitäten gezeigt, er trägt türkische Kleidung und ist mit einer Armenierin verheiratet. Eigentlich hasse ich Sammlungen, aber ich glaube, diese ist unbezahlbar. Cheops ʼ Ring, das Halsband Menes’ I. etc. Nur eine Sache hätte ich wirklich gern verstanden – einen Beerdigungs-Papyrus, aber der ist nie entziffert worden. Ägyptische Romane beginnen offenbar immer mit dem Tod eines Mannes – er stirbt, und auf seinem Begräbnis werden Opfer dargebracht. Dann steht er vor Osiris, der mit seiner Peitsche in der Hand dasitzt, und dem Hund Zerberus (1), und die Wahrheit notiert seine Taten (mit einer Straußenfeder, die ihr Kennzeichen ist), die vierzig Richter thronen in einer Reihe über ihm, jeder mit einem anderen Tierkopf, ein anderer Gott hält die Waagschalen, und seine guten Taten scheinen sehr wenig zu wiegen. Es folgen verschiedene Phasen des Fegefeuers, die er durchleidet, verschiedene Herkules-Aufgaben , bei denen er dieses oder jenes Ungeheuer töten